- Gestüt Gut Neuenhof
Gestüt Gut Neuenhof
Mit dem Auge für Pferde
Hengste wie Cordess, Caressini, Cristallo, Estobar NRW und allen voran dessen Sohn Escolar haben das Gestüt Gut Neuenhof über Deutschlands Grenzen hinweg bekannt gemacht. Als Quereinsteiger in der Pferdezuchtszene hat das Ehepaar Schürner innerhalb weniger Jahre eine ganze Hengstlinie vor dem Aussterben bewahrt und sich einen Ruf als Talententdecker erworben. Ein Zufall ist das nicht, wie ein Besuch auf Gestüt Gut Neuenhof in der Eifel zeigt.
Es ist nicht weit von der Autobahn bis zum Gestüt Gut Neuenhof. Trotzdem fühlt es sich beinahe so an, als betrete man eine andere Welt, wenn man durch den Talgrund an der Nordflanke der Eifel unterhalb des mittelalterlichen Städtchens Nideggen rollt, über eine schmale Brücke die Rur überquert und schließlich die Einfahrt zum Gestüt passiert. Es liegt eingenestelt zwischen Anhöhen. Das ursprüngliche Herzstück des Gestüts ist ein historische Fachwerkensemble mit drei Wohneinheiten, von denen eine das Ehepaar Schürner bewohnt. Als geduldete Gäste, wie ein Schild an der Eingangstür ankündigt. Denn die, die hier den Ton angeben, haben Fell, vier Pfoten und machen mit ihrem Gebell einen Radau, der jeden Einbrecher rasch zum Rückzug bewegen dürfte. Oberhalb der Wohnhäuser, wo früher Milchvieh gehalten wurde, liegt das heutige Gestütszentrum. Hier finden sich Stallungen, Paddocks und Halle für die Pferde. Die hohen Decken, die Größe der Boxen und der Laufställe, der direkte Zugang in eine Bewegungshalle, wenn es draußen vereist ist – man sieht: Hier haben Pferdeleute geplant. Wo der Hof endet, weitet sich das Tal und die Koppeln beginnen: 22 Hektar mit dem einen oder anderen Steilstück durchsetzte Hangweiden auf mineralstoffreichem vulkanischem Boden. Auch im November immer noch saftig grün, ziehen sie sich auf der einen Seite bis zur Waldgrenze den Hang hinauf. Nach unten hin werden sie von der Rur begrenzt, die das Gestüt auf ihrem Weg von Belgien über Deutschland in Richtung Niederlande in einem weiten Bogen umfließt. Wenn man das Ende der Weiden erreicht hat, kann man von einer Brücke den Flusslauf hinunterschauen. Kaum zu glauben, dass es nicht mal eine Stunde Fahrzeit bis Köln ist. Die herbstlich gefärbten Laubbäume, das klare Wasser – fehlt nur noch ein Bär auf Fischfang. Man hört – nichts. Keine Flugzeuge, keine Autos. Nichts stört die herbstliche Stille, die sich übers Land gelegt hat. Das Murmeln des Wassers unterstreicht die Ruhe noch. Gelegentlich pfeift in der Ferne ein Zug und immer mal wieder erklingt ein Schnauben von den Weiden. Wahrscheinlich ist es den Spaziergängern, die das Tal auf dem Weg zwischen den Koppeln durchqueren, nicht bewusst, aber die Pferde, die sich links und rechts hinter den Holzzäunen die seltener werdenden Sonnenstrahlen aufs Fell scheinen lassen, sind entweder Spitzensportler in spe oder aber deren Mütter.
Die Köpfe fliegen hoch, als die Pferde das Golfcart bemerken, das herangerumpelt kommt. Das Vehikel kennen sie, das ist ihr Kraftfutterlieferant. Heu bekommen sie ohnehin das ganze Jahr über. Dass die Jährlinge gut versorgt werden, sieht man. Groß sind sie für ihr Alter. Ihr Fell glänzt, ihr Blick ist klar und voller Leben. Man braucht nicht viel Fantasie, um in ihnen zukünftige Hengstanwärter und/oder Sportler zu erkennen. Sandra Schürner stellt sie vor. Sie kennt die Abstammung jedes einzelnen ihrer rund 50 bis 60 Pferde, die auf Gestüt Gut Neuenhof zuhause sind, egal ob sie hier zur Welt kamen oder später zur Familie dazustießen. So geht es im Stall weiter. „Das ist Edina, die Vollschwester zu Escolar und Mutter von Maxima (der Westfalenchampionesse und Bundeschampionatsdritten). Und: „Das ist Unsere Cera aus dem Stamm von Harm Thormählen.“ Oder auch: „Das ist die Mutter von Escamillo.“ Mütter des Erfolgs also. Das ist das Prinzip des Gestüts Gut Neuenhof.
In Generationen denken
„Ein gutes Pferd ist selten schlecht gezogen“, ist Sandra Schürner überzeugt. Und zwar nicht nur in den ersten Generationen. Die Stämme sind es, die sie interessieren. Wenn sie auf Pferde- bzw. Fohlensuche ist, kann der Phänotyp noch so überzeugend sein, wenn der Genotyp nicht stimmt, ist es unwahrscheinlich, dass der Kandidat Teil der Gut Neuenhof-Crew wird. Umgekehrt schon eher. So wie bei einem der jüngsten der Gestütshengste, Bentheim v. Belvedere. Seine Mutter Rock ’n Rose v. Rock Forever kommt aus dem berühmten Stamm von Herbert de Baey in Ostwestfalen, der unter anderem die Olympiadressurpferde Ahlerich (Dr. Reiner Klimke, dreifacher Olympiasieger), dessen Vollbruder Amon (Annemarie Sanders-Keijzer/NED), Rembrandt (Nicole Uphoff/vierfacher Olympiasieger) sowie Linienbegründer Rubinstein I hervorgebracht hat. Als Schürners Bentheim kennenlernten, sah er noch nicht so aus, als hätte er eine Chance, wenige Monate später ein positives Körurteil zu erhalten. Aber Sandra Schürner bewies nicht zum ersten Mal, dass sie Rohdiamanten erkennen kann. Ein gutes halbes Jahr nach seiner Körung wurde Bentheim mit Danica Duen im Sattel erst Westfalen-, dann Bundeschampion.
Gute Pferde sind das Zuchtziel des Gestüts Gut Neuenhof. Beziehungsweise sehr gute Pferde. „Es mag andere geben, die meinen, sie müssten auch normale Pferde für den durchschnittlichen Reiter züchten“, sinniert Dr. Axel Schürner. „Ich bin überzeugt, beim Streben nach der Spitze kommen auch so genügend normale Pferde heraus.“ Genauso viel Wert wie auf die Grundqualität ihrer Pferde legen die Schürners auf die Gesundheit, angefangen bei der Selektion für die Zucht über die Aufzucht bis hin zur Ausbildung und zum Einsatz im Sport. 25 Zuchtstuten, bekommen durchschnittlich zehn bis 15 Fohlen jährlich. Wenn die Jungpferde das Ausbildungsalter erreicht haben, werden sie in Ställe gegeben, die das Vertrauen der Schürners genießen. Die talentiertesten Pferde bekommen die besten Ausbilder, früher Hubertus Schmidt, heute Dorothee Schneider, die nun die Escolar-Kinder Esperado, Etienne und Estelle ebenso unter ihren Fittichen hat wie den Toto Jr.-Sohn Maxim.
Ein eigenes Gestüt
Auch wenn es zunächst die Hengste waren, die sie bekannt gemacht haben, die Schürners verstehen sich als Pferdezüchter. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe selbst gezogener Pferde, die die Farben des Gestüts Gut Neuenhof in Sport und Zucht hochhalten – die gekörten und inzwischen bis zur schwersten Klasse erfolgreichen Springhengste Caressini (v. Carento a.d. U-Cassina v. Cassini) und Cashmere (v. Cristallo a.d. Novice v. Contender) etwa. Oder die diesjährige Drittplatzierte auf dem Reitpferdeviereck, Maxima (v. Maxim a.d. Edina v. Estobar NRW). „Meine Frau hat die Turnierkataloge immer von hinten studiert“, schmunzelt Dr. Axel Schürner. Denn in der Zeit, als sie selbst noch erfolgreich bis Klasse M gesprungen ist, fand man dort das Verzeichnis der teilnehmenden Pferde inklusive Abstammungen. „Das hat mich immer fasziniert“, bestätigt Sandra Schürner. Dementsprechend schnell ging es, dass aus zwei Pferden 40 wurden, als sie und ihr Mann Anfang um die Jahrtausendwende beschlossen hatten, sich nach den intensiven Berufsjahren mit eigener Steuer- und Wirtschaftsprüferkanzlei wieder vermehrt den Pferden zu widmen. Denn auch Dr. Axel Schürner war ihnen von Kindheit an verbunden (weil sein Vater seinem älteren Bruder ein Pferd versprochen hatte für den Fall, dass er dem Gruppenzwang widerstehen und nicht in der Hitlerjugend beitreten würde – das Argument war überzeugend, die ganze Familie fing nach dem Krieg an zu reiten). Nur gingen irgendwann Beruf und Familie vor und er hängte seine (Dressur-)Stiefel an den Nagel. Von zwei Reitpferden auf 40 Stuten und Jungpferde, das dauerte gerade mal drei Jahre. Spätestens da war klar, dass es auf Dauer keine Option ist, ihre Pferde in verschiedenen Ställen zu halten und nur begrenzt Einfluss auf ihre Haltung und Entwicklung nehmen zu können. Etwas eigenes musste her. So wurde aus dem Rinderbetrieb Gut Neuenhof im Jahr 2002 das Gestüt Gut Neuenhof.
Hengste waren hier nie aufgestellt und das ist auch nicht geplant. „Die Stuten und ihr Nachwuchs sollen ganz ihre Ruhe haben“, sagt Dr. Axel Schürner. Die Vererber stationiert das Gestüt Gut Neuenhof bei namhaften Hengsthaltern.
Von der Zucht zur Hengsthaltung
Bis man sich mit der eigenen Zucht einen Namen gemacht hat, dauert es naturgemäß Generationen. Als Hengsthalter geht das schneller. Gute Pferde kann man schließlich kaufen. Als die Schürners in das Hengstgeschäft einstiegen, wurde jedoch schnell deutlich, dass sie zwar auch zu kaufen bereit sind, aber vor allem ein Auge für Talente haben, die noch gar keinen Körplatz gesehen haben. Möglicherweise liegt das daran, dass beide erfolgreich geritten sind. Den ersten Hengst, in den sie investierten, entdeckten sie jedoch sehr wohl während seiner Körung – ein Springpferd und gleich ein Volltreffer: Cristallo I, ein Vertreter des ersten Jahrgangs von Cornet Obolensky. Der westfälische Schimmel war mit den Olympiasiegern Henrik von Eckermann und Christian Kukuk selbst international erfolgreich, hat mehr als ein Dutzend gekörter Söhne und fast 500 Nachkommen im Sport, die nicht nur im Spring-, sondern auch im Dressursport Erfolge in der schweren Klasse vorweisen können und zusammen mehr als 600.000 Euro verdient haben.
Im Jahr darauf folgte der nächste Coup: Estobar NRW, Siegerhengst seiner Körung 2006, später selbst Grand Prix-erfolgreich und vor allem über seinen Sohn Escolar Erhalter der E-Linie nicht nur für die westfälische Zucht, sondern für die Dressurpferdezucht weltweit.
Escolar dürfte aktuell der bekannteste Gut Neuenhof-Hengst sein. Seine Geschichte zeigt, was den Erfolg des Ehepaar Schürners ausmacht: der Blick für Qualität. „Ich sehe ja nur Fohlen, Jährlinge und Zweijährige. Das schult das Auge“, stapelt Sandra Schürner tief. Steht das Pferd korrekt? Wie bewegt es sich? Wie ist das Hinterbein? Das sind die Kriterien, auf die sie vor allem achte. Bestimmten Entwicklungen in der Zucht steht sie kritisch gegenüber. „Wir züchten Reitpferde. Die brauchen einen starken, gesunden Körper.“ Dass hier bei der Selektion Kompromisse gemacht werden, kann sie nicht nachvollziehen. Apropos Selektion – am liebsten kaufen die Schürners Pferde als Fohlen. Zumindest aber, wenn sie noch völlig unbeeinflusst durch die Ausbildung sind, ihre natürlichen Grundgangarten und eventuell erste Sprünge zeigen. So können sie sichergehen, dass die Pferde unverbraucht sind und die Chance ist größer, dass sie das, was sie selbst versprechen, auch weitervererben.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Reitponyhengst Gold Garant, das erste Pony überhaupt vom Gestüt Gut Neuenhof und ebenfalls eine Entdeckung von Sandra Schürner. „Heute kaufen wir ein Ponyfohlen“, kündigte sie an, als sie zusammen mit ihrem Mann und ihrem Freund Ömer Boyar van Baaren, mit dem sie im Zusammenhang mit dem Kauf von Estobar NRW seinerzeit die Equus Invest AG gegründet haben, 2019 die Auktion im Rahmen der Westfalen-Woche in Münster-Handorf besuchte. Es kam wie Schürner es prophezeit hatte. Zugegeben, ein Geheimtipp war Gold Garant nicht gerade. Er wechselte für den Rekordpreis von 37.000 Euro auf das Gestüt Gut Neuenhof. Aber es zeigte sich, dass der bildschöne Golden Grey-Sohn jeden Cent davon wert ist. Siegerhengst seiner Körung 2021, Silber beim Bundeschampionat 2023, Gold 2024. Und die Nachzucht? Bereits 2023 stellte Gold Garant das Sieger-Stutfohlen und den besten Hengst bei der Stuten- und Fohlenschau in Lienen. Das war sein erster Jahrgang. Dieses Jahr kündigte der Sprecher das sechstplatzierte Stutfohlen mit den Worten an „… und nun das beste Fohlen, das nicht von Gold Garant abstammt“. Denn die fünf davor Platzierten hatten allesamt ihn zum Vater. Und auch bei den Hengsten belegten Gold Garant-Kinder die Plätze eins und zwei sowie zusätzlich Rang fünf und acht. Sandra Schürner sagt: „Gold Garant steht in einer Reihe mit Escolar.“ Man darf gespannt sein, wer sich da in den nächsten Jahren noch einreiht.
Welche Hengste das Gestüt Gut Neuenhof dieses Jahr für Sie als Züchter ausgewählt hat, erfahren Sie auf den kommenden Seiten. Bei Fragen steht das Team des Gestüts Gut Neuenhof Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Einstweilen wünschen wir Ihnen, dass Sie genauso viel Freude mit Ihren Pferden haben, wie wir mit unseren!